CETA und TTIP: Die Bürger haben durchschaut, dass nicht zu ihrem Vorteil verhandelt wird

Um Verhandlungen für Freihandelsabkommen zu forcieren, wird den Bürgern Europas das Blaue vom Himmel versprochen. Um den Interessen der Lobbyisten zu genügen, wendet die EU einen Trick an: Sie verhandelt bilaterale Abkommen – so als wäre die EU bereits ein Staat. Den Bürgern sollen dann Angela Merkel und Sigmar Gabriel erklären, warum die Deals sinnvoll sind – sagt der EU-Kommissar Karel de Gucht.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) muss vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin Teilnehmern einer Protestaktion von Campact zu den Handelsabkommen CETA und TTIP erklären, warum die SPD diese Abkommen so vehement verteidigt. (Foto: dpa)

Die EU war eine der treibenden Kräfte hinter der am Widerstand Indiens gescheiterten sogenannten Doha-Runde für eine multilaterale Vereinbarung von Handelserleichterungen innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO). Für diese Verhandlungen war den Bürgern Europas das Blaue vom Himmel versprochen worden. Seit dem Scheitern der Doha-Runde hat sich die EU-Kommission, der 2009 von den Mitgliedsländern die alleinige Kompetenz für die Handelspolitik übertragen wurde, verstärkt auf sogenannte bilaterale „Freihandelsabkommen“ verlegt. So wurde das Abkommen mit Kanada nun zu Ende verhandelt und das Abkommen mit den USA vorbereitet.

Gegenüber der gescheiterten multilateralen Runde der WTO kann man in solchen bilateralen Vereinbarungen auch viele Regelungen treffen, die multilateral nicht konsensfähig wären. Dazu gehört vor allem der Investorenschutz-Bereich, der ausländischen Multis einen gerichtsfreien Schutz vor den Gesetzen des Investitionslandes geben soll. Nie würden Länder, wie Indien oder China, dem im multilateralen Rahmen zustimmen. Auch haben die USA selbst solche Regelungen nicht in den Freihandelsabkommen mit Australien, Singapur und Israel durchsetzen können.

Alle großen Unternehmen und ihre Verbände unterhalten in Brüssel Vertretungsbüros, die der Lobby einen einseitigen Einfluss auf die EU-Kommission garantieren. Diese Unternehmen, meist große Multis, drängen auf solche Abkommen, weil sie sich davon mehr Export und mehr Investitionen in Niedrigstkostenländern versprechen, wo Gewerkschaften nur in staatlicher Form wie in China vorhanden oder jedenfalls sehr schwach sind und Streiks nicht befürchtet werden müssen. Dass damit zugleich die Löhne in den Heimatländern der Multis erfolgreich gedrückt werden können, ist ihnen natürlich ebenfalls recht. Wenn dann durch Importe aus den Ländern, mit denen die EU-Kommission verhandelt hat, in den Heimatländern der Multis Arbeitsplätze verloren gehen, trifft sie das in aller Regel nicht. Und oft sind sie es selbst, die den Import betreiben.

Die „Freihandelsabkommen“, wie sie die EU-Kommission jetzt mit Kanada oder den USA verhandelt, tragen bewusst irreführende Etiketten, die den Eindruck erwecken sollen, als würde erst jetzt freier Handel zwischen den Vertragsparteien eingeführt werden, obwohl die Zölle schon fast auf null sind. Dagegen geht es in Wahrheit darum, unter dem irreführenden Banner der Freiheit neue Ab- und Unarten des freien Handels einzuführen. Und wer will schon gegen die Freiheit sein, zumal wenn gleichzeitig davon enorme wirtschaftliche Vorteile für alle versprochen werden? Dennoch haben – für die EU-Kommission völlig ungewohnt – große Teile der Bürger Europas im Falle der Verhandlungen mit Kanada und den USA nun zum ersten Mal das sonst schwer verständliche Spiel solcher Vereinbarungen durchschaut und gegen viele dieser angestrebten Regelungen, vor allem im Investorenschutzbereich, öffentlich Front gemacht. Nach vielen nationalen Protesten, zumal in Deutschland, findet am 11. Oktober ein europaweiter, dezentraler Aktionstag gegen die Abkommen statt.

Die Reaktionen des Brüsseler Handelskommissars De Grucht klingen dementsprechend hilflos:

„Ich kann die deutsche Öffentlichkeit nicht überzeugen. Das ist die Aufgabe der deutschen Politiker. Es ist die Aufgabe von Frau Merkel und Herrn Gabriel, ihre Bevölkerung zu überzeugen. Ich weiß, dass sich Frau Merkel öffentlich für das Abkommen mit den USA ausgesprochen hat, aber sie sollte daraus einen definitiven politischen Punkt machen.“

Hier also lassen sich demokratisch nicht legitimierte EU-Bürokraten von der Lobby in Verhandlungen treiben und sind total unfähig, die Bürger von ihrem Tun zu überzeugen. Was die Sache allerdings noch weit schlimmer macht, sind die noch in den Schubladen wartenden Pläne für weitere Freihandelsabkommen, vor allem das mit China, an dem die Multis besonders interessiert sind. So argumentieren die Fürsprecher der Freihandelsabkommen schon jetzt für die Investorenschutzklauseln in den Abkommen mit Kanada und den USA, weil diese nur so zu vollwertigen Vorbildern für Abkommen mit China und andere Schwellenländer werden könnten, als wenn diese jemals solche Klauseln akzeptieren würden. Gerade China wird das nie tun.

Über weitere sogenannte „Freihandelsabkommen“ sollen also die EU-Grenzen für Dumpingimporte aus den aggressiven Schwellenländern, besonders China, noch weiter aufgerissen werden, zum Nutzen der Multis und zum Schaden der Arbeitnehmer in Europa. Während der Handel mit Kanada und den USA in gleichen Wirtschaftssystemen erfolgt, muss man sich bei den sehr unterschiedlichen Schwellenländern auf ganz andere Gefahren einstellen. Im Verhältnis zu China, dem Land mit dem bei Weitem größten Binnenmarkt der Welt, muss die EU immer aus einer Position der Schwäche heraus verhandeln, wobei sie außerdem noch von den China-durstenden Multis vor sich her geschoben wird. Das hat sich schon bei der Aufnahme Chinas in die WTO von 2002 gezeigt, als ausreichende Schutzklauseln gegen chinesisches Dumping nicht durchsetzbar waren. Und das gilt erst recht, wenn die EU – anders als im multilateralen Rahmen – nun ein solches Abkommen allein verhandeln sollte.

Um bei China eine Vorstellung von den Folgen eines neuen Freihandelsabkommens zu bekommen, braucht man sich nur die seit Jahren gewaltigen Überschüsse Chinas im Handel mit der EU anzusehen, die sich allein in den zehn Jahren von 2004 bis 2013 auf weit mehr als 1,3 Billionen Euro angehäuft haben (Abb. 18493).

18493

Noch augenöffnender ist, zu welchen weitreichenden Konzessionen gegenüber China die EU im Rahmen der gescheiterten Doha-Runde bereit war. Das waren Konzessionen, von denen die Bürger der EU keine Ahnung hatten und über die sie bewusst nicht unterrichtet wurden. So sollte es beispielsweise im Bereich der Zölle für den Import von Autos in die EU zu einer Absenkung von 10 Prozent auf nur noch 4,5 Prozent kommen. China sollte dagegen seinen Einfuhrzoll für Autos nur von 25 Prozent auf 18 Prozent absenken, womit der Zollschutz in China viermal höher als in der EU gewesen wäre. Auch wurden Entschärfungen der Anti-Dumping-Regeln diskutiert, die den Schutz gegen Dumping erheblich erschwert bis verhindert hätten. So sollte ein „Public Interest Test“ stattfinden, selbst wenn Dumping eindeutig nachgewiesen war. So sollten die Interessen der Industrien einbezogen werden, die die aus China gedumpte Ware in dem Importland verwandt hätten, und auch Vertreter der Konsumenten, wenn das Produkt im Einzelhandel verkauft worden wäre. Auch dies wäre zu einem großen einseitigen Vorteil für China geworden.

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Joachim Jahnke, geboren 1939, promovierte in Rechts- und Staatswissenschaften mit Anschluss-Studium an französischer Verwaltungshochschule (ENA), Mitarbeit im Kabinett Vizepräsident EU-Kommission, Bundeswirtschaftsministerium zuletzt als Ministerialdirigent und Stellvertretender Leiter der Außenwirtschaftsabteilung. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

gefunden bei: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/28/ceta-und-ttip-die-buerger-haben-durchschaut-dass-nicht-zu-ihrem-vorteil-verhandelt-wird/

Betreiber wollen AKWs abstoßen

VEB Atomkraft im Angebot

Stromkonzerne bieten an, AKWs und Atommüllentsorgung in einer öffentlichen Stiftung zu bündeln. Dafür könnten Klagen zurückgezogen werden.

Werden hier demnächst unterm staatlichen Dach Brennstäbe gekühlt?
AKW Grundremmingen in Bayern.  Bild: ap

BERLIN taz| Die deutschen Stromkonzerne planen offenbar, die Verantwortung für den Betrieb der Atomkraftwerke, ihren Rückbau und die Endlagerung des radioaktiven Abfalls in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen. Über einen solchen abgestimmten Plan zwischen den Betreibern RWE, Eon und EnBW berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Damit könnten die Atomkonzerne sich von einem teuren und risikoreichen Geschäftsgebiet trennen und der Politik gleichzeitig Zugriff auf die milliardenschweren Rückstellungen gewähren, die die Konzerne für die Atommüllentsorgung gebildet haben.

Eon wollte die Meldung am Sonntag auf Anfrage nicht kommentieren. Die zuständige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lehnte den Vorschlag ab: Die Verantwortung für die Atomanlagen liege bei den Unternehmen. „Diese haben sämtliche Kosten der Stilllegung, des Rückbaus sowie der Endlagerung zu tragen.“ Gespräche über eine solche Lösung habe es bisher aber nicht gegeben.

Nach Plänen der Konzerne sollte eine Stiftung die gesamte Atomindustrie unter einem Dach vereinen: den Betrieb der Atomkraftwerke bis zur Stilllegung spätestens im Jahr 2022, ihren Abriss und die Endlagerung der nuklearen Abfälle. Dafür stellen die Stromkonzerne laut dem Bericht in Aussicht, ihre Milliardenklagen gegen den Atomausstieg und gegen die Steuer auf Brennelemente zurückzuziehen. Und sie bieten an, ihre Rückstellungen für die Entsorgung, etwa 30 Milliarden Euro, in die Stiftung zu überführen.

Schon lange fordern Umweltverbände und Politik, die Unternehmen müssten ihre Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführen – allerdings nur das Vermögen, nicht den AKW-Betrieb und das Risiko. „Die Rückstellungen sind nicht insolvenzsicher“, hatte Greenpeace bereits 2012 gewarnt. Die Umweltminister der Länder forderten 2013 einen solchen Fonds, und jüngst bekräftigte der neue Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit aus dem Bundesumweltministerium, Wolfgang Cloosters, solche Überlegungen, damit die Finanzen „zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden“.

Negativbeispiel Tepco

Die Angst hinter diesen Planspielen: Den Stromkonzernen geht es wirtschaftlich schlecht. Durch eigene Fehlplanungen und die Energiewende sind ihre Gewinne geschrumpft, die Aktienkurse fallen, die Unternehmen bauen Personal ab. Bei einer möglichen Insolvenz eines Unternehmens bliebe aber im Zweifel der Staat auf den Folgekosten der Atomkraft sitzen. Abschreckendes Beispiel ist der japanische Stromkonzern Tepco, den der Staat nach dem Unglück von Fukushima übernahm.

Die Konzerne hätten ihren Vorschlag in den letzten Monaten „durch eine Drohkulisse mit etwa 30 Klagen“ vorbereitet, sagte der grüne Umweltminister von Niedersachen, Stefan Wenzel, der taz. „Offenbar wollen sich die Betreiber schnell und billig aus der Affäre ziehen“, denn die Kosten für Rückbau und Endlagerung lägen weit höher als die bisherigen Rückstellungen. „Wenn es mit dem Geldverdienen vorbei ist, werden dem Staat und den Bürgern die Scherben vor die Füße gekippt.“ Auch Jochen Stay von der Initiative ausgestrahlt nannte den Vorstoß ein „vergiftetes Angebot“. Wenn Atomkraftwerke „so unrentabel sind, dass sie nicht einmal ihre Abrisskosten einspielen, sollten sie sofort abgeschaltet werden“.

Anmerkung von mir: Das nenne ich typisch Privat – Konzern … ausbeuten, arbeiten so lange es geht, Kosten verursachen und diese auf die Öffentlichkeit, sprich den Bürger ( oder auch Zahl- oder Stimmvieh bezeichnet ) abzuwälzen. Milliarden teure Sanierungen werden auf Eis gelegt, die Entsorgung des hoch strahlenden Materials ist auch noch nicht gelöst, aber die AKW´s an den BUND ( was ist das eigentlich ??? ) abgeben wollen.

Marx hatte damals schon Recht als er schrieb:  „400% Profit und das Kapital zerstört sich selbst“.

Original: http://taz.de/Betreiber-wollen-AKWs-abstossen/!138281/

 

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