Betablocker für alle – Evidenzbasierte Katastrophen der Schulmedizin

Avandia, Vioxx, Contergan und kein Ende – so hat es den Anschein. Eine hochgelobte, selbstverliebte, stets zu Selbstbeweihräucherungsorgien bereite Disziplin der Schulmedizin (die Kardiologie), hat jetzt auch einen Skandal zustande gebracht, der sich mit den zuvor genannten Medikamentenskandalen locker messen kann.

Die evidenzbasierte Wissenschaft der Medizin

Wenn wir heute etwas von wissenschaftlichen Ergebnissen und Durchbrüchen in der medizinischen Forschung hören, dann vertrauen wir darauf, dass hier Fachmänner ganze Arbeit geleistet haben. Man hört ja immer wieder mal was von Betrug und Datenmauscheleien. Aber man ist schnell geneigt, diese Berichte als die Ausnahme anzunehmen, die die Regel bestätigen. Im Großen und Ganzen jedoch müsste alles im Lot sein, denn woher sonst kommt der medizinische Fortschritt, oder?

Wie es aber den Anschein hat, ist die Ausnahme dabei, zur Regel zu werden, die die Regel zur Ausnahme werden lässt. Oder mit weniger philosophischen Worten:

Wissenschaft, wie sie noch vor etwa 40 Jahren in der Naturwissenschaft gelehrt wurde, scheint heutzutage die Ausnahme zu sein. Heute ist die Wissenschaft eine Zweigstelle der Marketingabteilung, die den Forschern diktiert, was sie zu finden und erfinden haben.

Einige Forscher kreieren dazu anscheinend lediglich das wissenschaftliche Umfeld, das dem Endergebnis die höheren Weihen der Wissenschaft verleiht und den Gläubigen glaubhaft macht.

Wie und warum so etwas abläuft und funktioniert, habe ich bereits mehrfach „zum Schlechten“ gegeben:

All diese Skandale und fragwürdigen Praktiken geben Grund zu der Annahme, dass die medizinische Forschung nicht unbedingt nach wissenschaftlichen Kriterien arbeitet – und das in der Regel und nicht als Ausnahme.

Man kann also heute davon ausgehen, dass das „medizinwissenschaftliche Fehlverhalten“ eine neue Dimension betreten hat und zu einem weit verbreitetem Phänomen geworden ist. Es könnte sogar so weit verbreitet sein, dass auch die Naturwissenschaften ihren Einfluss zu spüren bekommen – dies ist jedenfalls mein Eindruck.

Vielleicht ist dieses Fehlverhalten schon so ausgeprägt, dass dieser Zweig drauf und dran ist, seine Integrität und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Auch die verzweifelten Versuche, sich bei jeder Gelegenheit durch das Schlagwort „evidenzbasiert“ zu profilieren, sind nichts als leere Worthülsen. Denn diese Medizinrichtung ist die Erste, die an ihren eigenen Ansprüchen scheitert. So auch wieder einmal beim neuen „Skandal“.

Einen Betablocker für Mama, einen für Papa, einen für Opa, einen für Oma….

Betablocker sind Medikamente, die Betarezeptoren blockieren. Wenn sie die Betarezeptoren am Herz blockieren, dann resultiert dass in einer Senkung der Herzfrequenz. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine Absenkung der Basisfrequenz, wie dies zum Beispiel bei einem kardial wirksamen Kalziumantagonisten der Fall ist.

Vielmehr werden Katecholamine durch die Blockade gehindert, die Rezeptoren am Herz zu besetzen und dadurch die Herzfrequenz zu erhöhen. Außerdem besitzen die Betablocker eine blutdrucksenkende Wirkung, deren Mechanismus aber noch nicht restlos geklärt zu sein scheint. Aber Blutdruck– und Herzfrequenzsenkung entlasten das Herz und ökonomisieren die Herzarbeit. Das hört sich alles gut an und sollte den Patienten den entsprechenden Nutzen bringen.

Um die Hypothese vom Nutzen der Betablocker zu beweisen und für die alltägliche Praxis zugänglich zu machen, kam ein berühmter niederländischer Kardiologe auf die Idee, eins, zwei, drei, ganz viele Studien zu machen, die genau dies beweisen sollten.

Don Poldermans hieß der gute Arzt-Forscher, der seine Empfehlungen für den weit gestreuten Einsatz von Betablockern (fehlt nur noch das Zeugs im Trinkwasser…) von seinen DECREASE-Studien ableitete. Poldermans war zudem seinerzeit (bis 2011) auch Vorsitzender des europäischen Komitees, das Leitlinien zum Einsatz von Betablockern im Namen der European Society of Cardiology (ESC) erstellte und verbreitete. Das Erasmus Medical Center in Rotterdam, wo er hauptsächlich tätig war, feuerte ihn im November 2011. Warum dies? (Übrigens: was von „medizinischen Leitlinien“ zu halten ist, beschreibe ich im Beitrag: Medizinische Leitlinien – Gefährliche “Leitplanken” im Medizinverkehr)

Wenn man „CardioBrief“ glauben darf, dann war es mit seiner groß angelegten Studie DECREASE (Dutch Echocardiographic Cardiac Risk Evaluation Applying Stress Echocardiography) nicht weit her. Denn ein weiteres Komitee fand heraus, dass es eine Reihe von schwer gewichtigen Fehlern und Protokollverletzungen in den Studien DECREASE II und VI gab. Man ging davon aus, dass DECREASE II, IV und VI nur noch dem Namen nach doppelblind durchgeführt worden sind.

Das heißt, dass nicht autorisierte, an der Studie beteiligte Personen wussten, welche Patientengruppe Plazebo und welche Verum erhielt. Für DECREASE VI konnte das Komitee zeigen, dass es hier zur „Fabrikation“ von Daten gekommen war. Aus diesem Grund empfahl das Komitee, diese Studie abzubrechen, da wissenschaftlich aussagekräftige Ergebnisse schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich waren.

Die Studienserie wurde mit dem Betablocker Bisoprolol und eine Studie (DECREASE III) mit Fluvastatin, einem Statin, durchgeführt. Bei allen Arbeiten kamen traumhaft gute Ergebnisse für die getesteten Substanzen bezüglich Senkung der Mortalität, Herzinfarkt, Ischämien und so weiter zustande. Diese Ergebnisse waren sogar den Kollegen des werten Prof. Poldermans zu gut um wahr zu sein („This very large treatment effect is likely too good to be true“ in Randomized Trials Stopped Early for Benefit).

Grund für die außerordentlich guten Ergebnisse scheinen hier Zuwendungen zu sein, die von einer handvoll Pharmafirmen getätigt worden waren, wie zum Beispiel Medtronic, Novartis, Merck, Roche Diagnostics etc. (Prominent Dutch Cardiovascular Researcher Fired for Scientific Misconduct). Denn Pharmafirmen verlangen Ergebnisse, die vermarktbar sind. Hätte der gute Professor herausgefunden, dass Betablocker keinen Effekt oder sogar einen negativen Effekt bei bestimmten Krankheitsbildern gehabt hätten, dann wäre damit kein müder Euro zu verdienen gewesen.

Deshalb wundert es mich auch nicht mehr, wenn urplötzlich ein Statin mit in einer der Studien auftaucht und irre gute Senkungen des plötzlichen Herztods bewirkt haben soll. Wie macht die Substanz das? Gibt es solche dramatische Auswirkungen einer Substanz, die nur atherosklerotische Plaques verhindern soll? Dazu müsste diese Substanz dann vorhandene Plaques in Rekordzeit abbauen und so das Gefäßsystem blank putzen und erneuern.

Es gibt aber keinen Hinweis, dass Statine dazu in der Lage wären. Wie es auch fraglich ist, ob Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gefäßschäden ursächlich auf hohe Cholesterinwerte zurückzuführen sind. Apropos Cholesterinsenker und Medikamentenskandal: Hierzu gäbe es auch noch etwas zu sagen, beziehungsweise habe ich schon gemacht – Der Lipobay-Skandal – offensichtlich ein weiterer zu vernachlässigender Einzelfall… Wenn Sie die Sache mit den Cholesterinsenkern interessiert, empfehle ich Ihnen meinen Buch: „Das Märchen vom bösen Cholesterin„.

 

Zurück zu den Verfehlungen Prof. Poldermans, der diese auch reumütig zugibt. Außerdem bedauert er zutiefst sein Fehlverhalten und erklärt zudem, dass das alles nicht absichtlich passiert sein soll. Aha! So einfach ist das also! Ich weiß nur, dass ich damals von der Uni geflogen wäre, wenn ich einen solchen offensichtlichen Betrug verbrochen hätte. Und wie bitte schön, geht eine „unabsichtliche Datenmanipulation“?

Gibt es in der Schulmedizin seit neuestem auch weiße Rappen und schwarze Schimmel? Zu der Studien-Lüge des Herrn Professors gesellt sich jetzt also auch noch eine Erklärungslüge dazu, die von mir aus die evidenzbornierten Heile-Welt-Mediziner und deren Anhänger glauben dürfen.

Leitlinien für Massenmord?

Denn es geht hier nicht nur um ein wissenschaftliches Fehlverhalten, wo die Glaubwürdigkeit und Kompetenz eines „Wissenschaftlers“ auf dem Spiel steht. Hier geht es um Richtlinien für die Behandlung von Millionen von Kranken, deren Zustandekommen auf einer oberfaulen Medizinwissenschaft beruht, mitsamt deren noch fauleren Studien. Es wird inzwischen vermutet, dass diese „aus dem Hut gezauberten Ergebnisse“ und deren konsequente Anwendung in Form von Leitlinien in den letzten fünf Jahren ca. 800.000 Menschen in Europa das Leben gekostet hat (Medicine Or Mass Murder? Guideline Based on Discredited Research May Have Caused 800,000 Deaths In Europe Over The Last 5 Years).

Dagegen sind Avandia und Vioxx mit ihren 80.000 beziehungsweise 50.000 Toten in 10 Jahren ein Klacks. Absolut unverständlich ist dabei, dass Avandia und Vioxx einen verhältnismäßig großen Wirbel verursacht hatten. Hier bei den 800.000 Toten hört und sieht man so gut wie gar nichts.

Ich glaube es war Kurt Tucholsky, der einmal sagte: „Wenn man einen umbringt, dann geht man ins Gefängnis. Wenn man Millionen umbringt, dann bekommt man einen Orden“. Ist man von offizieller Seite deshalb so verhalten, weil man eine Diskussion fürchtet, die die Fragwürdigkeit des medizinischen Systems, wie wir es heute geboten bekommen, klar werden lassen würde?

Denn Avandia und Co. kann man so gerade noch als Einzelfall hinstellen. Aber bei dem neuen Fall – 1. schon wieder einer und 2. das mit hochgerechneten 1,6 Millionen in 10 Jahren – wird es selbst dem kühnsten Statistikakrobaten schwerfallen, hier noch Einzelfallqualitäten abzuleiten. Dies alles hier hat System. Und seine treibende Kraft ist das Geschäft mit der Gesundheit und gegen die Gesundheit.

Vor diesem Hintergrund werden gleichzeitig die Anfeindungen und Kritiken gegen Alternative Medizin und alternative Heilmethoden noch fragwürdiger. Ich gehe nicht davon aus, dass man alles „schlucken“ muss, was sich alternativ gibt.

Aber eine gute Kritik der Alternativmedizin sieht signifikant anders aus, als das, was man sich bislang immer hat anhören müssen. Denn auch hier werden die fragwürdigsten Ergebnisse aus dem Hut gezaubert, ganz leitliniengemäß und ideologisch abgesichert, um diese Medizinrichtung zu verbannen, nicht um sie zu verbessern. Auch hier ist der Beweggrund das Geschäft mit der Gesundheit, das keine kompetenten Konkurrenten duldet. Am besten gar keine Konkurrenten….

Fazit

Die Königin der schulmedizinischen Disziplinen, die Kardiologie, hat bewiesen, dass sie auch die Königin des Versagens ist. Stattliche 800.000 Tote in 5 Jahren kann ihre Kunst sich auf ihr Konto gutschreiben, was einen neuen Rekord darstellt. Aber kein Grund zur Sorge: die Verantwortlichen werden kaum darunter zu leiden haben.

Jedenfalls nährt fast jede Pharma-Studie den Ruf der gekauften Wissenschaft, mit dem die Branche aber offensichtlich ganz gut leben kann. Ernstzunehmende Studien hingegen können auch die eigene Hypothese widerlegen. Eine Untersuchung zum Thema „ACE-Hemmer und Brustkrebs“ sollte die Unbedenklichkeit dieser Blutdrucksenker belegen. Heraus kam das Gegenteil. Doch wurde hier das Ergebnis wahrheitsgemäß dargestellt (www.naturheilt.com/medikamente/blutdrucksenker.html).

Ach ja: die Leitlinien des Herrn Prof. Poldermans werden zur Zeit angeblich noch einer „Neubewertung“ unterzogen (Pre-operative Cardiac Risk Assessment and Perioperative Cardiac Management in Non-Cardiac Surgery). Die Ergebnisse dieser Neubewertung sollten bereits im Sommer 2014 veröffentlicht werden. ABER: Es herrscht das große Schweigen im Walde…

Während man bei „todbringenden“ Medikamenten wie Vioxx und Co.  noch ordentlich auf die Pauke geschlagen hat, schweigt man sich hier zu Tode. Ein Artikel im BMJ bemerkte, dass die Autoren eine Metaanalyse im Jahr 2013 durchgeführt hatten. Diese Metaanalyse mit elf glaubwürdigen randomisierten Studien hatte als Ergebnis, dass der Einsatz von Bisoprolol (dem Betablocker von Merck, zu denen Herr Polderman angeblich enge finanzielle und sonst wie Beziehungen gepflegt hatte), die Mortalität (=Sterblichkeit) in der Verumgruppe um 27 Prozent erhöhte.

Das steht im diametralen Widerspruch zu dem, was Polderman gefunden haben will. Weiter schreiben die Autoren, dass die europäische Gesellschaft für Kardiologie trotzalledem ihre auf Poldermann beruhenden Leitlinien für den Einsatz des Betablockers nicht revidiert hat. Das war aber im Jahr 2014. Ob diese inzwischen heute was geändert haben, das konnte ich nicht in Erfahrung bringen. http://www.bmj.com/content/349/bmj.g5210

Es gibt einige Veröffentlichungen auf der ESC Webseite zu Bisoprolol, die beim ersten überfliegen alle relativ positiv ausfallen. Es gibt auf der Webseite eine offizielle Stellungnahme (Pressemitteilung) vom November 2011, die die Leitlinien als das Ergebnis der Arbeit eines Kollektivs von europäischen Kardiologen darstellt, und nicht als das alleinige Werk von Polderman: https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/Dismissal-of-Professor-Don-Poldermans-from-the-Erasmus-Medical-Center-NL

Damit können die europäischen Kardiologen und ihre Dachinstitution ihre Hände in Unschuld waschen. Ich vermute, dass sich das bis auf den heutigen Tag nicht geändert hat. Zumindest die positiven Studien zu Bisoprolol auf der ESC-Seite aus dem Jahr 2017 lassen nichts Gegenteiliges vermuten.

Bemerkenswert ist: Es gibt einen schottischen Arzt, der sich genau darüber aufregt: Guidelines kill 800,000.  Er ist auch der Meinung, dass dieser Skandal (mit diesen Ausmaßen!) so gut totgeschwiegen wird, dass praktisch niemand davon gehört bzw.  berichtet hat, weder im Fernsehen, noch in den Zeitschriften oder anderen Medien. Es gab zwar Artikel im Deutschen Ärzteblatt anno 2008 und in der Süddeutschen Zeitung 2014 – aber das war es dann auch schon…

Der Beitrag wurde erstmalig im März 2014 erstellt und am 7.6.2017 von mir ergänzt.

 

Quelle und Original: https://naturheilt.com/blog/betablocker-fuer-alle-2014/