gefunden bei Facebook
gefunden bei Facebook
Mark Galliker, emeritierter Professor für Psychologie, hat das verbale Verhalten von Bundeskanzlerin Merkel einer Analyse unterzogen. Sein Ergebnis: Merkel verneint, ignoriert und verschleiert die Realität und versteht es, sich „glaubhaft als moralische Autorität zu inszenieren“. Ein Interview über eine Kanzlerin, die auf den Gesprächspsychotherapeuten wirkt „wie eine Musterschülerin, die alles tut, was ihr von oben aufgetragen wird und es versteht, dies vor den Mitschülern zu verbergen“. Das Interview führte Marcus Klöckner.
Herr Galliker, wie könnte man Angela Merkel charakterisieren?
Angela Merkel wird von vielen Bürgern wohlwollend “Mutti der Nation” genannt. Die Mutter ist die beste Frau, ja der beste Mensch – keine Frage! Von anderen Bürgern wird sie “Gutmensch” genannt, was indes nicht gerade gut gemeint ist. Es trifft zu, dass sie fleißig, gescheit, in einem gewissen Sinne brav ist, jedenfalls ist sie nicht korrupt. Sicherlich ist Merkel kein „Schlechtmensch“. Doch Ihr schöner Satz “Wir schaffen das” wäre ihr wahrscheinlich zum Verhängnis geworden, wenn das Flüchtlingsproblem für die Bundesrepublik nicht scheinbar optimal gelöst, respektive an die Grenze anderer Staaten verschoben worden wäre. Merkel wirkt freundlich, schlicht, überhaupt nicht so arrogant wie einige ihrer Vorgänger. Auf mich persönlich wirkt sie wie eine Musterschülerin, die alles tut, was ihr von oben auftragen wird und es versteht, dies vor den Mitschülern zu verbergen, die unter anderem wegen ihr noch mehr arbeiten müssen und das meistens gegen noch schlechtere Noten bzw. Belohnungen.
Sie haben Merkel in einer aktuellen Untersuchung von Ihnen als eine Meisterin der Maskierung genannt, weil Sie Macht verschleiere. Was wollen Sie damit sagen?
Merkel weiß, dass das Volk nicht wissen darf, dass sie sich letztlich für die Interessen der Großindustrie und der Banken einsetzt und gerade nicht für die weniger reichen und armen Menschen, andernfalls hätte sie vermutlich bei den Wahlen keine Chance gehabt. Wenn sie sich für die sogenannten kleinen Leute einsetzen würde, hätte sie die Massenmedien der wirtschaftlich Starken gegen sich und würde wahrscheinlich ebenfalls nicht gewählt. Merkel wird von den Mächtigen vor allem deshalb geschätzt, weil sie deren Denken wie keine zweite Politikerin den Bürgern schmackhaft machen kann.
Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Merkel steht für eine Bundesrepublik, die unter ihrer Führung mehr exportiert hat als je zuvor (unter anderem sehr viele Waffen, Panzer, mit denen auch völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt werden, wie jetzt von der Türkei), und für eine Bundeswehr, die noch nie an so vielen Orten der Welt stationiert war. Wie schafft es diese meistens ebenso bescheiden wie harmlos auftretende Kanzlerin, die in der Mehrzahl pazifistisch gesinnten Bürger wie selbstverständlich wiederum auf die neue, expansive Politik Deutschlands einzustellen? Den Eigenanteil der Bundesrepublik an der Produktion oder Reproduktion fragwürdiger Zustände im In- und Ausland maskiert sie mit geschickter Rhetorik. Dabei setzt sie alles ein, selbst die Empathie.
In einem Sommerinterview der ARD zum Konflikt mit Griechenland befragt, bemerkte sie, dass die griechische Regierung inzwischen eingesehen habe, dass das Land nur auf die Beine kommen könne, wenn es auch die notwendigen Reformen realisiere und sie fügte folgenden Satz hinzu: “Wo immer wir helfen können, mit Logistik, mit Menschen, mit Ideen, wollen wir den Griechen beiseite stehen, denn es geht um viel, wenn wir über Griechenland sprechen”. Eine junge Zuschauerin, die sich als Halbgriechin vorstellte, fragte: „Geht es Ihnen wirklich um die Menschen in Griechenland?” Und Merkel antwortete ohne Initialpause: “Mir geht es immer um die Menschen. Mir geht es um die Menschen hier bei uns zu Hause und mir geht es auch um die Menschen in Griechenland. Aber wir müssen auf der anderen Seite uns natürlich auch aufeinander verlassen können. Und deshalb sage ich der Zuschauerin, dass ich ihre Sorgen verstehe, dass ich auch weiß, was in Griechenland viele zu erleiden haben. Das Ungerechte ist ja auch, dass die, die viel Geld haben, längst über alle Berge sind und ihr Geld ganz woanders angelegt haben”. Aus der Kontextanalyse zu dieser Aussage geht hervor, dass die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU unter anderem durch Strukturreformen spricht, scheinbar ohne zu reflektieren, wie sehr in der Vergangenheit solche Reformen der Bundesrepublik zum wirtschaftlichen Ungleichgewicht innnerhalb der EU beigetragen haben.
Sie fragen in Ihrer Studie, wie Merkel „gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten in den Medien“ darstellt.
Ja, mit gesellschaftlichen Ungleichheiten sind die größer werdenden Unterschiede zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern gemeint und mit sozialen Ungleichheiten die Unterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Gruppierungen und ökonomischen Schichten und Klassen innerhalb der Bundesrepublik. Merkel trägt mit ihren politischen Tätigkeiten dazu bei, diese Unterschiede zu verstärken, doch zugleich versteht sie es ausgezeichnet, dieselben rhetorisch zu nivellieren.
Wie macht Merkel das?
Dies geschieht durch sprachliche Verschiebungen, Verstellungen, Verneinungen, eigentliche Verwerfungen, verbales Ungeschehenmachen und nicht zuletzt auch durch Projektionen. Ein Beispiel für Projektionen ist, wenn alles Böse Russland untergeschoben wird, unter anderem völkerrechtswidrige Aktionen nur beim erneut als Gegner aufgebauten Konkurrenten wahrgenommen werden (z.B. Krim-Übernahme durch Russland) und nicht auch bei der BRD (u.a. Beteiligung am völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Serbien, am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Iran und am Krieg gegen Libyen u.a. mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen). Die Bundeskanzlerin pflegt ein schwarz-weiß gemaltes Outgroup-Ingroup-Bild. Der Kreml ist mächtig und böse, die Bundesregierung ist es nicht, ist gut, ja vorbildlich und dafür geschätzt in aller Welt! Welch verhängnisvolle Konsequenzen diese verantwortungslosen Zuschreibungen haben können, hat die Geschichte zur Genüge aufgezeigt. Ein Außenstehender müsste mit Merkel den Eindruck gewinnen, dass im 20. Jahrhundert Russland zweimal Deutschland und nicht umgekehrt Deutschland zweimal Russland angegriffen hat.
Zu was führen psychische Mechanismen wie zum Beispiel die von Ihnen angeführte Projektion?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, welchem seelischen Ablauf sich Merkel überlässt. Beim Beispiel der Projektion wird Hass gegenüber einem vermeintlichen Gegner konstituiert, was als Kriegsvorbereitung interpretierbar ist und letztlich nur der Waffenindustrie dient. Jeder Historiker kann erkennen, dass vor dem 1. und 2. Weltkrieg medial ganz ähnlich vorgegangen wurde wie heute.
Sie haben auch die Verneinung im Zusammenhang mit Merkel erwähnt.
Ja, die Verneinung ist ebenfalls so ein gefährlicher Vorgang, auch wenn er auf den ersten Blick harmloser erscheint, denn vorerst werden „nur“ Bestandteile realer Zusammenhänge und Sachverhalte aus dem Verkehr gezogen, sodass vor allem Verwirrung gestiftet wird.
Haben Sie ein Beispiel?
Beim verbalen Schlagabtausch zwischen der amerikanischen und der nordkoreanischen Regierung stellte Merkel fest: „Ich sehe für Nordkorea keinemilitärische Lösung“ (Handelsblatt, 23.7. 17). Das ist sicherlich begrüßenswert, dass Merkel in dieser Frage Trump nicht unterstützte und darauf hinwies, dass die diplomatischen Mittel bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Die Verneinung bedeutet psychoanalytisch betrachtet aber auch, dass der Gedanke an ein mögliches militärisches Vorgehen vor seiner Abwehr im Bewusstsein schon vorhanden war, wenngleich hier neben anderen Gedanken. Nach Merkel führte die USA neben dem militärischen Drohen auch „eine Vielzahl diplomatischer Aktivitäten“ durch, womit sie diesem Land einen Plus-Punkt in der Auseinandersetzung zurechnete.
Auf die Frage, ob die BRD im Kriegsfall automatisch an der Seite der USA kämpfen würde, antwortete sie „Nein, nicht automatisch“. Im Anschluss daran hinderte dies Merkel indes nicht, ihre Loyalität zu den USA zu bekräftigen. Heißt dies, dass sie also trotz allem an der Seite der USA kämpfen würde, wenngleich nicht automatisch? Jedenfalls stellte Merkel mit dem Fokus auf die Weltregion fest, „Wir könnten und sollten uns noch mehr einbringen“. Dabei wies sie die Hauptschuld am Konflikt eindeutig Nordkorea zu, ungeachtet der Geschichte und all dem, was die sogenannten führenden Industrienationen dort in der Vergangenheit schon kriegerisch angerichtet hatten. Hier kann quasi live verfolgt werden, nicht nur wie sich eine Negation in eine Affirmation verwandelt, sondern auch, wie es zu einer in sich inkongruenten Argumentation kommt, wenn die grundlegenden gesellschaftlichen und internationalen Widersprüche nicht wahrgenommen werden.
Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, das Verhalten von Merkel auf einer psychoanalytischen Ebene zu analysieren?
Im analytischen Teil meiner Untersuchung spielt die Psychoanalyse tatsächlich eine gewisse Rolle; im synthetischen Teil handelt es sich eher um eine politökonomische Zusammenfassung der zuvor untersuchten verbalen Manöver. Meistens werden die sogenannten kleinen Leute psychologisch analysiert, sehr selten die großen, die mit ihrem Verhalten viel mehr Schaden anrichten können als die machtlosen.
Und warum gerade die Konzentration auf die „soziale Frage“?
Neben der gesellschaftlichen Frage berücksichtigten wir tatsächlich auch die soziale Frage. Merkel machte bisher praktisch nichts für die sozial benachteiligten Menschen, aber schürte deren Ressentiments gegen noch mehr benachteiligte Personen, insbesondere gegen Flüchtlinge. Gleichzeitig verneinte sie dies aber immer wieder. Sie arbeitete hier vor allem mit impliziten sprachlichen Diskriminierungen von Migranten, insbesondere, indem sie Dieselben mit „islamistischen Terroristen“ kontextualisierte, ohne gleichzeitig auf die vielen rechtsradikalen Anschläge auf Flüchtlingsheime in der BRD hinzuweisen. Dabei verwarf sie das Befinden vieler Menschen, dass es ihnen heute schlechter geht als früher, indem sie auf die „mancherlei sozialen Verbesserungen“ in den letzten Jahren dank ihrer „verantwortungsvollen Haushaltspolitik“ hinwies. Vordergründig verneinte sie vehement die Gründe für „Neiddebatten“, hintergründig wurden sie aber gerade dadurch inauguriert oder verstärkt.
Können Sie unseren Lesern Ihre Untersuchung etwas weiter vorstellen? Wie sind Sie vorgegangen?
Das forschungsleitende Interesse bestand darin, das in einem Zeitrahmen von fünf Jahren (1. April 2012 bis 31. März 2017) von Merkel in Interviews und Reden verbal Vorgetragene medienpsychologisch zu untersuchen. Zunächst wurden die Interviews und Reden, wie sie in den ARD- und ZDF-Mediatheken sowie in einer eigens erstellten Sammlung von Zeitungsartikeln vorliegen, aussortiert und kategorisiert. Dann wurde das von der Kanzlerin unmittelbar abgerufene verbale Verhalten (Interviews) sowie die von ihr und/oder ihren Mitarbeitern vorbereiteten und von ihr jedenfalls vorgängig eingesehenen und genehmigten Sprachproduktionen (Reden) an ihrem eigenen Maßstab gemessen, den sie selbst an andere anlegt.
Was ist das für ein Maßstab, den Merkel selbst anlegt?
Merkel mahnte verschiedentlich, aber insbesondere am 23. November 2016 in der Generaldebatte des Bundestages zum Bundeshaushalt 2017 an, die journalistische Sorgfaltspflicht wieder herzustellen, kursierten doch in den Medien, besonders in den neuen (unter anderem Fake-Seiten im Internet), häufig die Realität verzerrende Darstellungen. Auch dem Populismus und der durch ihn verursachten Verunsicherung der gemeinsamen Wertebasis sei entgegenzuwirken und dieselbe wieder sicherzustellen.
Was haben Sie dann gemacht?
Zunächst haben wir aus der Fülle des Materials die wiederkehrenden Bestandteile, sozusagen die Zelle, ihres verbalen Verhaltens, herausgelöst. Diese Destillation ließ schon bald ein allgemeines verbales Verhaltensmuster erkennen, das sich als solches als durchgängig erwies, insofern es immer wieder auftauchte, wenngleich in jeweils mehr oder weniger ausdifferenzierter Form.
Und was für ein spezielles Verhaltensmuster konnten Sie erkennen?
Die Formel für dieses Verhaltensmuster lautet wie folgt: „1. Ansprechen eines THEMAS – 2. Aussprechen einer PHRASE“. Bei einer Thematisierung wird die unbequeme Realität so wenig wie möglich berührt, geschweige denn konkret behandelt. Im Gegenteil: Sie wird so schnell wie möglich ausgeblendet und durch eine abstrakte Phrase, die nicht nur wohlklingend ist, sondern auch unverfänglich und unverbindlich bleibt. Meistens handelt es sich bei diesen Phrasen um schöne und/oder gute allgemeine Sätze über den Rechtsstaat, die Demokratie, die Menschenrechte usw., wobei in jedem Fall ebenso stillschweigend wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass diese Ideale in der BRD bisher für sämtliche Bürger Bestand hatten und von der deutschen Regierung für alle Menschen gleichermaßen verteidigt werden. Manchmal versucht die Kanzlerin die Bürger auch zu belehren, doch diese Form der Lehre verkommt zur ideellen Leerformel, weil ja zuvor mit der Ausblendung der Realität auch die Gleichheit der Menschen, ihre Rechte und demokratischen Ansprüche in einen reellen und allenfalls politisch umsetzbaren Sinne verabschiedet wurden.
Haben Sie ein Beispiel, an dem man das Verhalten von Merkel besonders deutlich erkennen kann?
Wenn die angesprochene Formel in ihrer einfachsten Form verwirklicht wird, kann man die Zelle ihres Verhaltens in sämtlichen Beispielen gleich deutlich erkennen. Nachdem Trump erklärt hatte, dass die USA aus dem Klimaabkommen austreten würden, sah sich Merkel gezwungen, dieses THEMA zu berücksichtigen. Sie gab zu verstehen, dass trotz diesem Entscheid die Erde zu schützen sei und holte dabei zu folgender Phrase aus: „Entschlossener denn je werden wir in Deutschland, in Europa und in der Welt alle Kräfte bündeln, Menschheitsherausforderungen wie die des Klimawandels aufzunehmen und erfolgreich die Herausforderung zu bewältigen. Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren.“. Doch im Vertrag der neuen Großen Koalition reduzierte sich der Umweltschutz der ehemaligen Umweltministerin und heutigen Kooperationspartnerin der Autoindustrie auf ein Nischenthema, was die Kanzlerin am 21. 3. 2018 im Bundestag in der Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit nicht davon abhielt, wiederum von ihren „Anstrengungen hinsichtlich einer besseren Luft“ zu sprechen.
In Ihrer Arbeit schreiben Sie, dass die „kürzeste Antwort auf die Ausgangsfrage lautet, dass Merkel gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten in den Medien meistens nicht darstellt oder ausblendet.“
In der Tat lautet die kürzeste Antwort auf die Frage, wie Merkel diese Ungleichheiten in den Medien darstellt, dass sie dieselben meistens nicht wahrhaben kann oder will und abwehrt. Ihre Realpolitik findet kaum je Eingang in den Diskurs. Merkel ist auch eine Meisterin der Auslassungen. Zuweilen mag es sich um eine eher »passive« Verschwiegenheit oder auch um sogenanntes Nichtwissen (-Wollen) handeln, beispielsweise, wenn sie lange Zeit ausdrücklich nichts von der Tatsache wissen wollte, dass US-Drohneneinsatze vom deutschen Ramstein aus gesteuert werden. Oft handelt es sich indes um ein »aktives« Verschweigen durch Ungeschehenmachen.
Stichwort „Ungeschehenmachen“. Was hat das mit Merkel zu tun?
In der Psychoanalyse wird unter Ungeschehenmachen die Bemühung verstanden, so zu tun, als ob fragwürdige Entscheidungen oder Handlungen nicht erfolgt wären, indem Sätze produziert werden, die eine »entgegengesetzte« Bedeutung nahelegen. Das Ungeschehenmachen setzt sich aus Isolierung und Idealisierung zusammen: Durch die »Isolierung« wird die Politik nur als Abfolge von Einzelereignissen und nicht in ihrem Zusammenhang betrachtet (zum Beispiel Austeritätspolitik gegenüber Griechenland / Stagnierung der Löhne in der BRD / Forcierung des Exports), wodurch für Produzenten sowie Rezipienten der Sinnzusammenhang verloren geht. Durch die »Idealisierung« wird die Politik ins Vollkommene hinein aufgehoben, von wo aus die Menschen derart »über-schaut« werden, dass die »Wahr-nehmung« nicht durch aufkommende Differenzen zwischen denselben gestört wird.
Das ist eine ziemlich schwerwiegende Erkenntnis, oder?
Das ist zunächst mal nur ein wissenschaftlicher Begriff gewesen. In unserer Untersuchung weisen wir dann nach, dass zumindest für einen großen Teil des medialen Verhaltens der Bundeskanzlerin dieses Konzept empirisch zutreffend ist.
Mit anderen Worten: Merkel verschleiert die Realität?
Ja, das kann man so sagen. In der aktuellen Regierungserklärung (21. 3. 2018) benennt die Bundeskanzlerin die Kinderarmut zurecht als „Schande“, die indes mit der bisherigen Regierung nichts zu tun zu haben scheint, und stellt erstmals fest, „Unser Land ist heute gespalten und polarisiert“. Das hält sie aber nicht davon ab, die Sprechblase ins Leben zu rufen, „Deutschland, das sind wir alle“. Ja, da sind ja alle gesellschaftlichen Widersprüche, Klassenunterschiede, Ungerechtigkeiten und Konflikte rasch wieder überdeckt. Merkel verschleiert mit ihrem verbalen Verhalten die Realität, die sie mit ihrer Politik mitverursacht.
Das heißt?
So werden an vielen Stellen von Merkels medialen Präsentationen die Fluchtursachen primär mit den “Schleppern” in Verbindung gebracht, die zu Zeiten der DDR noch “Fluchthelfer” genannt wurden. Die Bürger sollen nicht erkennen, durch wen die wirklichen Fluchtursachen produziert werden. Auf die Bekämpfung der Fluchtursachen angesprochen, gibt Merkel den Lesern in einem umfangreichen Interview, das sie am 3. 9. 2016 einer großen Boulevard-Zeitung gewährte, zu verstehen, dass es mit der EU-Türkei-Vereinbarung gelungen sei, das „Schlepperwesen“ einzudämmen und Menschenleben zu retten, was das wichtigste Ziel sei. Die Bekämpfung der Fluchtursachen sei indes nicht allein Aufgabe von Europa, “sondern eine humanitäre Verantwortung der ganzen Welt”.
Auch hier setzt Merkel also auf eine Sprache, die verschleiert?
So ist es. Die Bundeskanzlerin setzt an die Stelle verräterischer Begriffe harmlosere oder sogar human oder sozial anmutende. Gegenüber einer sachlogischen Begrifflichkeit bevorzugt sie die Verklärung der Sachverhalte. So vertauscht Merkel ihre neoliberale Politik mit ihrem „überwältigenden Grundbekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft“, einem Konzept, das sie fast durchgehend an die Stelle weniger schöner Begriffe stellt (wie z.B. „Sozialabbau“). „Auffanglager“ werden durch „Aufnahmezentren“, „Waffenlieferungen“ durch „Entwicklungshilfe“, „expansive Politik“ durch „Deutschlands Weltoffenheit“ und „Übernahme von Verantwortung in der Welt“ ersetzt.
Allerdings muss Merkel bei bestimmten medialen Textsorten die Realität gar nicht mehr verschleiern, berührt sie doch dieselbe von vornherein selten und schließlich kaum mehr, um auch noch auf ein quantitatives Ergebnis der Untersuchung hinzuweisen. Diese Abnahme des Realitätsgehalts trifft insbesondere für die Neujahrsreden der Bundeskanzlerin zu. Ihre letzte besteht fast nur noch aus Phrasen. Der Bundeskanzlerin kann man nur recht geben, wenn Sie in ihrer neuesten Regierungserklärung feststellt: „Zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir zu lange weggesehen haben“. Nach zwölf Jahren Regierungszeit wiederholt sie dreimal in ihrer Rede „Seien wir ehrlich“.
Aber die Verschleierung der Realität findet auch auf gesellschaftlicher Ebene statt, oder?
Ja, dem kann ich zustimmen. Merkel korrespondiert gut mit vielen anderen Verantwortungsträgern und Bürgern in dieser Gesellschaft. Die meisten Menschen haben mittlerweile durch ihre auf Konkurrenz ausgerichteten, unsicheren, oft prekären Arbeitsbedingungen ein ökonomisches Menschenbild entwickelt, das heißt, sie sehen die Welt und die anderen Menschen gleichsam durch eine betriebswirtschaftliche Brille und betrachten alles als abwegig, was wenig oder keinen wirtschaftlichen Wert zu haben scheint und letztlich nicht auch den eigenen Nutzen und jenen durch die Mitmenschen maximiert. Damit werden nicht nur Menschen, die zumindest vordergründig und unmittelbar anstatt Nutzen Kosten bringen, ungleich behandelt und abgewertet. Nein, damit wird auch der Blick dafür verstellt, was die Mächtigen im Zentrum Europas, aber bis zu einem gewissen Grade auch die weniger Mächtigen und Ohnmächtigen, wir alle, mit dieser Art Haushaltung den Menschen in südlichen Ländern antun, nicht nur den Menschen in Griechenland, sondern auch jenen in afrikanischen Staaten.
Was bedeutet es denn für die Situation im Land, wenn die Bundeskanzlerin dieses Landes die Realität ausblendet?
Wenn afrikanische Landwirte und Fischer, denen durch Lebensmittelkonzerne und die Großfischerei die Lebensgrundlage entzogen wurde oder aufgrund des Klimawandels, der ihnen nicht mehr gestattet, so weiter zu wirtschaften wie bisher, nach Europa fliehen, werden sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wir schließlich auf das reagieren, was wir selbst ausgelöst haben. Wir fühlen uns demjenigen ausgeliefert, was von uns und insbesondere den sogenannten Eliten in den Zentren, den Reichen, vielen Politikern, auch vielen Wissenschaftlern (unter anderem Ökonomen und Betriebswirtschaftlern) zumindest teilweise zuvor herbeigeführt wurde. In der Fachsprache spricht man in diesem Zusammenhang vom gesellschaftlichen Unbewussten.
Falls Merkel, die aus einem christlich-sozialen, ja christlich-sozialistischen Elternhaus kommt und daheim und während ihrer Schulzeit in der DDR sicherlich auch etwas von Gesellschaftslehre mitgekriegt hat und später Physik studiert hat, also eine Wissenschaft, die sich auf die Realität, auf Tatsachen, bezieht, diese Zusammenhänge nicht sieht, dann handelt sie gesellschaftlich unbewusst, mithin verantwortungslos. In der medienpsychologischen Untersuchung geht es indes nicht darum, aus der Idiomatik und den Ambitionen des Sprech im evangelischen Pfarrhaus mit seinen Deeskalations- und Harmoniebestrebungen den Subtext der Reden der Kanzlerin zu entschlüsseln, sondern ausschließlich darum, sich auf das zu beschränken, was in den Zeitungen und im TV zum Ausdruck kommt.
Wie fassen Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung zusammen?
Merkel betreibt eine inhumane Politik und verpackt sie in humane Worte. Sie vermag sich für viele glaubhaft als moralische Autorität zu inszenieren. Sie ist eine Verpackungskünstlerin. wobei ich nicht definitiv beurteilen kann, ob sie eher unbewusst oder vielmehr mit Absicht vorgeht, kalkuliert, die Menschen raffiniert fehlleitet, instrumentalisiert und manipuliert. Ich kann nur festhalten, dass Merkel zwar einen an sich richtigen Maßstab verwendet, diesem aber selbst nicht genügt, und sich dessen vielleicht auch nicht bewusst ist, wenn sie richtigerweise sagt: “Wenn wir anfangen, dabei mitzumachen, dass Fakten beiseitegewischt oder ignoriert werden können, dann sind verantwortbare und konstruktive Antworten in der Sache nicht mehr möglich” (Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag, 7.9.16).
Lesetipp: Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Jürgen Günther (Hg.): Gesellschaftliche Spaltungen. Zur Wahrnehmung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Politik und Gesellschaft
Mark Galliker, emeritierter Professor für Psychologie, hat das verbale Verhalten von Bundeskanzlerin Merkel einer Analyse unterzogen. Sein Ergebnis: Merkel verneint, ignoriert und verschleiert die Realität und versteht es, sich „glaubhaft als moralische Autorität zu inszenieren“. Ein Interview über eine Kanzlerin, die auf den Gesprächspsychotherapeuten wirkt „wie eine Musterschülerin, die alles tut, was ihr von oben aufgetragen wird und es versteht, dies vor den Mitschülern zu verbergen“. Das Interview führte Marcus Klöckner.
Herr Galliker, wie könnte man Angela Merkel charakterisieren?
Angela Merkel wird von vielen Bürgern wohlwollend “Mutti der Nation” genannt. Die Mutter ist die beste Frau, ja der beste Mensch – keine Frage! Von anderen Bürgern wird sie “Gutmensch” genannt, was indes nicht gerade gut gemeint ist. Es trifft zu, dass sie fleißig, gescheit, in einem gewissen Sinne brav ist, jedenfalls ist sie nicht korrupt. Sicherlich ist Merkel kein „Schlechtmensch“. Doch Ihr schöner Satz “Wir schaffen das” wäre ihr wahrscheinlich zum Verhängnis geworden, wenn das Flüchtlingsproblem für die Bundesrepublik nicht scheinbar optimal gelöst, respektive an die Grenze anderer Staaten verschoben worden wäre. Merkel wirkt freundlich, schlicht, überhaupt nicht so arrogant wie einige ihrer Vorgänger. Auf mich persönlich wirkt sie wie eine Musterschülerin, die alles tut, was ihr von oben auftragen wird und es versteht, dies vor den Mitschülern zu verbergen, die unter anderem wegen ihr noch mehr arbeiten müssen und das meistens gegen noch schlechtere Noten bzw. Belohnungen.
Sie haben Merkel in einer aktuellen Untersuchung von Ihnen als eine Meisterin der Maskierung genannt, weil Sie Macht verschleiere. Was wollen Sie damit sagen?
Merkel weiß, dass das Volk nicht wissen darf, dass sie sich letztlich für die Interessen der Großindustrie und der Banken einsetzt und gerade nicht für die weniger reichen und armen Menschen, andernfalls hätte sie vermutlich bei den Wahlen keine Chance gehabt. Wenn sie sich für die sogenannten kleinen Leute einsetzen würde, hätte sie die Massenmedien der wirtschaftlich Starken gegen sich und würde wahrscheinlich ebenfalls nicht gewählt. Merkel wird von den Mächtigen vor allem deshalb geschätzt, weil sie deren Denken wie keine zweite Politikerin den Bürgern schmackhaft machen kann.
Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Merkel steht für eine Bundesrepublik, die unter ihrer Führung mehr exportiert hat als je zuvor (unter anderem sehr viele Waffen, Panzer, mit denen auch völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt werden, wie jetzt von der Türkei), und für eine Bundeswehr, die noch nie an so vielen Orten der Welt stationiert war. Wie schafft es diese meistens ebenso bescheiden wie harmlos auftretende Kanzlerin, die in der Mehrzahl pazifistisch gesinnten Bürger wie selbstverständlich wiederum auf die neue, expansive Politik Deutschlands einzustellen? Den Eigenanteil der Bundesrepublik an der Produktion oder Reproduktion fragwürdiger Zustände im In- und Ausland maskiert sie mit geschickter Rhetorik. Dabei setzt sie alles ein, selbst die Empathie.
In einem Sommerinterview der ARD zum Konflikt mit Griechenland befragt, bemerkte sie, dass die griechische Regierung inzwischen eingesehen habe, dass das Land nur auf die Beine kommen könne, wenn es auch die notwendigen Reformen realisiere und sie fügte folgenden Satz hinzu: “Wo immer wir helfen können, mit Logistik, mit Menschen, mit Ideen, wollen wir den Griechen beiseite stehen, denn es geht um viel, wenn wir über Griechenland sprechen”. Eine junge Zuschauerin, die sich als Halbgriechin vorstellte, fragte: „Geht es Ihnen wirklich um die Menschen in Griechenland?” Und Merkel antwortete ohne Initialpause: “Mir geht es immer um die Menschen. Mir geht es um die Menschen hier bei uns zu Hause und mir geht es auch um die Menschen in Griechenland. Aber wir müssen auf der anderen Seite uns natürlich auch aufeinander verlassen können. Und deshalb sage ich der Zuschauerin, dass ich ihre Sorgen verstehe, dass ich auch weiß, was in Griechenland viele zu erleiden haben. Das Ungerechte ist ja auch, dass die, die viel Geld haben, längst über alle Berge sind und ihr Geld ganz woanders angelegt haben”. Aus der Kontextanalyse zu dieser Aussage geht hervor, dass die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU unter anderem durch Strukturreformen spricht, scheinbar ohne zu reflektieren, wie sehr in der Vergangenheit solche Reformen der Bundesrepublik zum wirtschaftlichen Ungleichgewicht innnerhalb der EU beigetragen haben.
Sie fragen in Ihrer Studie, wie Merkel „gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten in den Medien“ darstellt.
Ja, mit gesellschaftlichen Ungleichheiten sind die größer werdenden Unterschiede zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern gemeint und mit sozialen Ungleichheiten die Unterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Gruppierungen und ökonomischen Schichten und Klassen innerhalb der Bundesrepublik. Merkel trägt mit ihren politischen Tätigkeiten dazu bei, diese Unterschiede zu verstärken, doch zugleich versteht sie es ausgezeichnet, dieselben rhetorisch zu nivellieren.
Wie macht Merkel das?
Dies geschieht durch sprachliche Verschiebungen, Verstellungen, Verneinungen, eigentliche Verwerfungen, verbales Ungeschehenmachen und nicht zuletzt auch durch Projektionen. Ein Beispiel für Projektionen ist, wenn alles Böse Russland untergeschoben wird, unter anderem völkerrechtswidrige Aktionen nur beim erneut als Gegner aufgebauten Konkurrenten wahrgenommen werden (z.B. Krim-Übernahme durch Russland) und nicht auch bei der BRD (u.a. Beteiligung am völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Serbien, am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Iran und am Krieg gegen Libyen u.a. mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen). Die Bundeskanzlerin pflegt ein schwarz-weiß gemaltes Outgroup-Ingroup-Bild. Der Kreml ist mächtig und böse, die Bundesregierung ist es nicht, ist gut, ja vorbildlich und dafür geschätzt in aller Welt! Welch verhängnisvolle Konsequenzen diese verantwortungslosen Zuschreibungen haben können, hat die Geschichte zur Genüge aufgezeigt. Ein Außenstehender müsste mit Merkel den Eindruck gewinnen, dass im 20. Jahrhundert Russland zweimal Deutschland und nicht umgekehrt Deutschland zweimal Russland angegriffen hat.
Zu was führen psychische Mechanismen wie zum Beispiel die von Ihnen angeführte Projektion?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, welchem seelischen Ablauf sich Merkel überlässt. Beim Beispiel der Projektion wird Hass gegenüber einem vermeintlichen Gegner konstituiert, was als Kriegsvorbereitung interpretierbar ist und letztlich nur der Waffenindustrie dient. Jeder Historiker kann erkennen, dass vor dem 1. und 2. Weltkrieg medial ganz ähnlich vorgegangen wurde wie heute.
Sie haben auch die Verneinung im Zusammenhang mit Merkel erwähnt.
Ja, die Verneinung ist ebenfalls so ein gefährlicher Vorgang, auch wenn er auf den ersten Blick harmloser erscheint, denn vorerst werden „nur“ Bestandteile realer Zusammenhänge und Sachverhalte aus dem Verkehr gezogen, sodass vor allem Verwirrung gestiftet wird.
Haben Sie ein Beispiel?
Beim verbalen Schlagabtausch zwischen der amerikanischen und der nordkoreanischen Regierung stellte Merkel fest: „Ich sehe für Nordkorea keinemilitärische Lösung“ (Handelsblatt, 23.7. 17). Das ist sicherlich begrüßenswert, dass Merkel in dieser Frage Trump nicht unterstützte und darauf hinwies, dass die diplomatischen Mittel bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Die Verneinung bedeutet psychoanalytisch betrachtet aber auch, dass der Gedanke an ein mögliches militärisches Vorgehen vor seiner Abwehr im Bewusstsein schon vorhanden war, wenngleich hier neben anderen Gedanken. Nach Merkel führte die USA neben dem militärischen Drohen auch „eine Vielzahl diplomatischer Aktivitäten“ durch, womit sie diesem Land einen Plus-Punkt in der Auseinandersetzung zurechnete.
Auf die Frage, ob die BRD im Kriegsfall automatisch an der Seite der USA kämpfen würde, antwortete sie „Nein, nicht automatisch“. Im Anschluss daran hinderte dies Merkel indes nicht, ihre Loyalität zu den USA zu bekräftigen. Heißt dies, dass sie also trotz allem an der Seite der USA kämpfen würde, wenngleich nicht automatisch? Jedenfalls stellte Merkel mit dem Fokus auf die Weltregion fest, „Wir könnten und sollten uns noch mehr einbringen“. Dabei wies sie die Hauptschuld am Konflikt eindeutig Nordkorea zu, ungeachtet der Geschichte und all dem, was die sogenannten führenden Industrienationen dort in der Vergangenheit schon kriegerisch angerichtet hatten. Hier kann quasi live verfolgt werden, nicht nur wie sich eine Negation in eine Affirmation verwandelt, sondern auch, wie es zu einer in sich inkongruenten Argumentation kommt, wenn die grundlegenden gesellschaftlichen und internationalen Widersprüche nicht wahrgenommen werden.
Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, das Verhalten von Merkel auf einer psychoanalytischen Ebene zu analysieren?
Im analytischen Teil meiner Untersuchung spielt die Psychoanalyse tatsächlich eine gewisse Rolle; im synthetischen Teil handelt es sich eher um eine politökonomische Zusammenfassung der zuvor untersuchten verbalen Manöver. Meistens werden die sogenannten kleinen Leute psychologisch analysiert, sehr selten die großen, die mit ihrem Verhalten viel mehr Schaden anrichten können als die machtlosen.
Und warum gerade die Konzentration auf die „soziale Frage“?
Neben der gesellschaftlichen Frage berücksichtigten wir tatsächlich auch die soziale Frage. Merkel machte bisher praktisch nichts für die sozial benachteiligten Menschen, aber schürte deren Ressentiments gegen noch mehr benachteiligte Personen, insbesondere gegen Flüchtlinge. Gleichzeitig verneinte sie dies aber immer wieder. Sie arbeitete hier vor allem mit impliziten sprachlichen Diskriminierungen von Migranten, insbesondere, indem sie Dieselben mit „islamistischen Terroristen“ kontextualisierte, ohne gleichzeitig auf die vielen rechtsradikalen Anschläge auf Flüchtlingsheime in der BRD hinzuweisen. Dabei verwarf sie das Befinden vieler Menschen, dass es ihnen heute schlechter geht als früher, indem sie auf die „mancherlei sozialen Verbesserungen“ in den letzten Jahren dank ihrer „verantwortungsvollen Haushaltspolitik“ hinwies. Vordergründig verneinte sie vehement die Gründe für „Neiddebatten“, hintergründig wurden sie aber gerade dadurch inauguriert oder verstärkt.
Können Sie unseren Lesern Ihre Untersuchung etwas weiter vorstellen? Wie sind Sie vorgegangen?
Das forschungsleitende Interesse bestand darin, das in einem Zeitrahmen von fünf Jahren (1. April 2012 bis 31. März 2017) von Merkel in Interviews und Reden verbal Vorgetragene medienpsychologisch zu untersuchen. Zunächst wurden die Interviews und Reden, wie sie in den ARD- und ZDF-Mediatheken sowie in einer eigens erstellten Sammlung von Zeitungsartikeln vorliegen, aussortiert und kategorisiert. Dann wurde das von der Kanzlerin unmittelbar abgerufene verbale Verhalten (Interviews) sowie die von ihr und/oder ihren Mitarbeitern vorbereiteten und von ihr jedenfalls vorgängig eingesehenen und genehmigten Sprachproduktionen (Reden) an ihrem eigenen Maßstab gemessen, den sie selbst an andere anlegt.
Was ist das für ein Maßstab, den Merkel selbst anlegt?
Merkel mahnte verschiedentlich, aber insbesondere am 23. November 2016 in der Generaldebatte des Bundestages zum Bundeshaushalt 2017 an, die journalistische Sorgfaltspflicht wieder herzustellen, kursierten doch in den Medien, besonders in den neuen (unter anderem Fake-Seiten im Internet), häufig die Realität verzerrende Darstellungen. Auch dem Populismus und der durch ihn verursachten Verunsicherung der gemeinsamen Wertebasis sei entgegenzuwirken und dieselbe wieder sicherzustellen.
Was haben Sie dann gemacht?
Zunächst haben wir aus der Fülle des Materials die wiederkehrenden Bestandteile, sozusagen die Zelle, ihres verbalen Verhaltens, herausgelöst. Diese Destillation ließ schon bald ein allgemeines verbales Verhaltensmuster erkennen, das sich als solches als durchgängig erwies, insofern es immer wieder auftauchte, wenngleich in jeweils mehr oder weniger ausdifferenzierter Form.
Und was für ein spezielles Verhaltensmuster konnten Sie erkennen?
Die Formel für dieses Verhaltensmuster lautet wie folgt: „1. Ansprechen eines THEMAS – 2. Aussprechen einer PHRASE“. Bei einer Thematisierung wird die unbequeme Realität so wenig wie möglich berührt, geschweige denn konkret behandelt. Im Gegenteil: Sie wird so schnell wie möglich ausgeblendet und durch eine abstrakte Phrase, die nicht nur wohlklingend ist, sondern auch unverfänglich und unverbindlich bleibt. Meistens handelt es sich bei diesen Phrasen um schöne und/oder gute allgemeine Sätze über den Rechtsstaat, die Demokratie, die Menschenrechte usw., wobei in jedem Fall ebenso stillschweigend wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass diese Ideale in der BRD bisher für sämtliche Bürger Bestand hatten und von der deutschen Regierung für alle Menschen gleichermaßen verteidigt werden. Manchmal versucht die Kanzlerin die Bürger auch zu belehren, doch diese Form der Lehre verkommt zur ideellen Leerformel, weil ja zuvor mit der Ausblendung der Realität auch die Gleichheit der Menschen, ihre Rechte und demokratischen Ansprüche in einen reellen und allenfalls politisch umsetzbaren Sinne verabschiedet wurden.
Haben Sie ein Beispiel, an dem man das Verhalten von Merkel besonders deutlich erkennen kann?
Wenn die angesprochene Formel in ihrer einfachsten Form verwirklicht wird, kann man die Zelle ihres Verhaltens in sämtlichen Beispielen gleich deutlich erkennen. Nachdem Trump erklärt hatte, dass die USA aus dem Klimaabkommen austreten würden, sah sich Merkel gezwungen, dieses THEMA zu berücksichtigen. Sie gab zu verstehen, dass trotz diesem Entscheid die Erde zu schützen sei und holte dabei zu folgender Phrase aus: „Entschlossener denn je werden wir in Deutschland, in Europa und in der Welt alle Kräfte bündeln, Menschheitsherausforderungen wie die des Klimawandels aufzunehmen und erfolgreich die Herausforderung zu bewältigen. Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren.“. Doch im Vertrag der neuen Großen Koalition reduzierte sich der Umweltschutz der ehemaligen Umweltministerin und heutigen Kooperationspartnerin der Autoindustrie auf ein Nischenthema, was die Kanzlerin am 21. 3. 2018 im Bundestag in der Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit nicht davon abhielt, wiederum von ihren „Anstrengungen hinsichtlich einer besseren Luft“ zu sprechen.
In Ihrer Arbeit schreiben Sie, dass die „kürzeste Antwort auf die Ausgangsfrage lautet, dass Merkel gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten in den Medien meistens nicht darstellt oder ausblendet.“
In der Tat lautet die kürzeste Antwort auf die Frage, wie Merkel diese Ungleichheiten in den Medien darstellt, dass sie dieselben meistens nicht wahrhaben kann oder will und abwehrt. Ihre Realpolitik findet kaum je Eingang in den Diskurs. Merkel ist auch eine Meisterin der Auslassungen. Zuweilen mag es sich um eine eher »passive« Verschwiegenheit oder auch um sogenanntes Nichtwissen (-Wollen) handeln, beispielsweise, wenn sie lange Zeit ausdrücklich nichts von der Tatsache wissen wollte, dass US-Drohneneinsatze vom deutschen Ramstein aus gesteuert werden. Oft handelt es sich indes um ein »aktives« Verschweigen durch Ungeschehenmachen.
Stichwort „Ungeschehenmachen“. Was hat das mit Merkel zu tun?
In der Psychoanalyse wird unter Ungeschehenmachen die Bemühung verstanden, so zu tun, als ob fragwürdige Entscheidungen oder Handlungen nicht erfolgt wären, indem Sätze produziert werden, die eine »entgegengesetzte« Bedeutung nahelegen. Das Ungeschehenmachen setzt sich aus Isolierung und Idealisierung zusammen: Durch die »Isolierung« wird die Politik nur als Abfolge von Einzelereignissen und nicht in ihrem Zusammenhang betrachtet (zum Beispiel Austeritätspolitik gegenüber Griechenland / Stagnierung der Löhne in der BRD / Forcierung des Exports), wodurch für Produzenten sowie Rezipienten der Sinnzusammenhang verloren geht. Durch die »Idealisierung« wird die Politik ins Vollkommene hinein aufgehoben, von wo aus die Menschen derart »über-schaut« werden, dass die »Wahr-nehmung« nicht durch aufkommende Differenzen zwischen denselben gestört wird.
Das ist eine ziemlich schwerwiegende Erkenntnis, oder?
Das ist zunächst mal nur ein wissenschaftlicher Begriff gewesen. In unserer Untersuchung weisen wir dann nach, dass zumindest für einen großen Teil des medialen Verhaltens der Bundeskanzlerin dieses Konzept empirisch zutreffend ist.
Mit anderen Worten: Merkel verschleiert die Realität?
Ja, das kann man so sagen. In der aktuellen Regierungserklärung (21. 3. 2018) benennt die Bundeskanzlerin die Kinderarmut zurecht als „Schande“, die indes mit der bisherigen Regierung nichts zu tun zu haben scheint, und stellt erstmals fest, „Unser Land ist heute gespalten und polarisiert“. Das hält sie aber nicht davon ab, die Sprechblase ins Leben zu rufen, „Deutschland, das sind wir alle“. Ja, da sind ja alle gesellschaftlichen Widersprüche, Klassenunterschiede, Ungerechtigkeiten und Konflikte rasch wieder überdeckt. Merkel verschleiert mit ihrem verbalen Verhalten die Realität, die sie mit ihrer Politik mitverursacht.
Das heißt?
So werden an vielen Stellen von Merkels medialen Präsentationen die Fluchtursachen primär mit den “Schleppern” in Verbindung gebracht, die zu Zeiten der DDR noch “Fluchthelfer” genannt wurden. Die Bürger sollen nicht erkennen, durch wen die wirklichen Fluchtursachen produziert werden. Auf die Bekämpfung der Fluchtursachen angesprochen, gibt Merkel den Lesern in einem umfangreichen Interview, das sie am 3. 9. 2016 einer großen Boulevard-Zeitung gewährte, zu verstehen, dass es mit der EU-Türkei-Vereinbarung gelungen sei, das „Schlepperwesen“ einzudämmen und Menschenleben zu retten, was das wichtigste Ziel sei. Die Bekämpfung der Fluchtursachen sei indes nicht allein Aufgabe von Europa, “sondern eine humanitäre Verantwortung der ganzen Welt”.
Auch hier setzt Merkel also auf eine Sprache, die verschleiert?
So ist es. Die Bundeskanzlerin setzt an die Stelle verräterischer Begriffe harmlosere oder sogar human oder sozial anmutende. Gegenüber einer sachlogischen Begrifflichkeit bevorzugt sie die Verklärung der Sachverhalte. So vertauscht Merkel ihre neoliberale Politik mit ihrem „überwältigenden Grundbekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft“, einem Konzept, das sie fast durchgehend an die Stelle weniger schöner Begriffe stellt (wie z.B. „Sozialabbau“). „Auffanglager“ werden durch „Aufnahmezentren“, „Waffenlieferungen“ durch „Entwicklungshilfe“, „expansive Politik“ durch „Deutschlands Weltoffenheit“ und „Übernahme von Verantwortung in der Welt“ ersetzt.
Allerdings muss Merkel bei bestimmten medialen Textsorten die Realität gar nicht mehr verschleiern, berührt sie doch dieselbe von vornherein selten und schließlich kaum mehr, um auch noch auf ein quantitatives Ergebnis der Untersuchung hinzuweisen. Diese Abnahme des Realitätsgehalts trifft insbesondere für die Neujahrsreden der Bundeskanzlerin zu. Ihre letzte besteht fast nur noch aus Phrasen. Der Bundeskanzlerin kann man nur recht geben, wenn Sie in ihrer neuesten Regierungserklärung feststellt: „Zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir zu lange weggesehen haben“. Nach zwölf Jahren Regierungszeit wiederholt sie dreimal in ihrer Rede „Seien wir ehrlich“.
Aber die Verschleierung der Realität findet auch auf gesellschaftlicher Ebene statt, oder?
Ja, dem kann ich zustimmen. Merkel korrespondiert gut mit vielen anderen Verantwortungsträgern und Bürgern in dieser Gesellschaft. Die meisten Menschen haben mittlerweile durch ihre auf Konkurrenz ausgerichteten, unsicheren, oft prekären Arbeitsbedingungen ein ökonomisches Menschenbild entwickelt, das heißt, sie sehen die Welt und die anderen Menschen gleichsam durch eine betriebswirtschaftliche Brille und betrachten alles als abwegig, was wenig oder keinen wirtschaftlichen Wert zu haben scheint und letztlich nicht auch den eigenen Nutzen und jenen durch die Mitmenschen maximiert. Damit werden nicht nur Menschen, die zumindest vordergründig und unmittelbar anstatt Nutzen Kosten bringen, ungleich behandelt und abgewertet. Nein, damit wird auch der Blick dafür verstellt, was die Mächtigen im Zentrum Europas, aber bis zu einem gewissen Grade auch die weniger Mächtigen und Ohnmächtigen, wir alle, mit dieser Art Haushaltung den Menschen in südlichen Ländern antun, nicht nur den Menschen in Griechenland, sondern auch jenen in afrikanischen Staaten.
Was bedeutet es denn für die Situation im Land, wenn die Bundeskanzlerin dieses Landes die Realität ausblendet?
Wenn afrikanische Landwirte und Fischer, denen durch Lebensmittelkonzerne und die Großfischerei die Lebensgrundlage entzogen wurde oder aufgrund des Klimawandels, der ihnen nicht mehr gestattet, so weiter zu wirtschaften wie bisher, nach Europa fliehen, werden sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wir schließlich auf das reagieren, was wir selbst ausgelöst haben. Wir fühlen uns demjenigen ausgeliefert, was von uns und insbesondere den sogenannten Eliten in den Zentren, den Reichen, vielen Politikern, auch vielen Wissenschaftlern (unter anderem Ökonomen und Betriebswirtschaftlern) zumindest teilweise zuvor herbeigeführt wurde. In der Fachsprache spricht man in diesem Zusammenhang vom gesellschaftlichen Unbewussten.
Falls Merkel, die aus einem christlich-sozialen, ja christlich-sozialistischen Elternhaus kommt und daheim und während ihrer Schulzeit in der DDR sicherlich auch etwas von Gesellschaftslehre mitgekriegt hat und später Physik studiert hat, also eine Wissenschaft, die sich auf die Realität, auf Tatsachen, bezieht, diese Zusammenhänge nicht sieht, dann handelt sie gesellschaftlich unbewusst, mithin verantwortungslos. In der medienpsychologischen Untersuchung geht es indes nicht darum, aus der Idiomatik und den Ambitionen des Sprech im evangelischen Pfarrhaus mit seinen Deeskalations- und Harmoniebestrebungen den Subtext der Reden der Kanzlerin zu entschlüsseln, sondern ausschließlich darum, sich auf das zu beschränken, was in den Zeitungen und im TV zum Ausdruck kommt.
Wie fassen Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung zusammen?
Merkel betreibt eine inhumane Politik und verpackt sie in humane Worte. Sie vermag sich für viele glaubhaft als moralische Autorität zu inszenieren. Sie ist eine Verpackungskünstlerin. wobei ich nicht definitiv beurteilen kann, ob sie eher unbewusst oder vielmehr mit Absicht vorgeht, kalkuliert, die Menschen raffiniert fehlleitet, instrumentalisiert und manipuliert. Ich kann nur festhalten, dass Merkel zwar einen an sich richtigen Maßstab verwendet, diesem aber selbst nicht genügt, und sich dessen vielleicht auch nicht bewusst ist, wenn sie richtigerweise sagt: “Wenn wir anfangen, dabei mitzumachen, dass Fakten beiseitegewischt oder ignoriert werden können, dann sind verantwortbare und konstruktive Antworten in der Sache nicht mehr möglich” (Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag, 7.9.16).
Lesetipp: Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Jürgen Günther (Hg.): Gesellschaftliche Spaltungen. Zur Wahrnehmung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Politik und Gesellschaft
Wer da jetzt noch weiterschläft, dem kann man auch nicht mer helfen….
sie geben es öffentlich zu – und das BRD – Schäfchen hält sich weiter die Schafohren zu(…nein, ich WILL das nicht hören…määäh), macht die Sch(l)afaugen zu(…nein, ich WILL das nicht sehen…määäh) und hält auch weiterhin sein Schafmaul zu(…nein, ich WILL dazu nichts sagen….määäh)……
Doch wenn das Schaf nicht wach werden WILL, seine Ohren, Augen und den Mund weiter verschlossen hält, dann wird es seine Ohren BRAUCHEN MÜSSEN, um die Schreie von Millionen Seelen HÖREN zu MÜSSEN,
seine Augen BRAUCHEN MÜSSEN, um Millionen Seelen sterben, verhungern, vergewaltigt, verbrennen und weinen SEHEN zu MÜSSEN,
und seinen Mund BRAUCHEN MÜSSEN, um all diesen seelischen und körperlichen Schmerz von Millionen Seelen, welcher auch ihm dann widerfährt, weil er NICHT SEHEN, HÖREN und REDEN WOLLTE, ALS ER KONNTE, RAUSZUSCHREIEN, weil er nun NICHTS mehr HÖREN, SEHEN und SPRECHEN kann…..
Quelle: KerstinMonika3, youTube Kanal von Kerstin Monika
…auch die anderen Videos von ihr sind sehr sehens,-und hörenswert !
Danke Kerstin Monika !
Eine Aussage eines ehemaligen US-Air Force Drohnen Pilots hat ergeben, dass die VSA von ihrer Ramstein Air Base in Deutschland den stark umstrittenen Drohnenkrieg in Afrika, Jemen und Pakistan führen und die Bundesregierung verstösst mit der Erlaubnis gegen das Völkerrecht.
„Die gesamte Drohnenkrieg des VS-Militärs wäre nicht möglich ohne Deutschland,“ so Brandon Bryant, der im Jahr 2011 aus dem Dienst austrat, im NDR Fernsehen und der Süddeutschen Zeitung Zeitung.
Bereits im vergangenen Jahr wurde deutschen Medien bekannt, dass die VS-Militärbasen in Deutschland genutzt werden, um gezielte Tötungen in Somalia durchzuführen. Aber jetzt sagt Bryant, dass sogar die Air Base Ramstein im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz an Angriffen auf Pakistan und Jemen beteiligt ist.
Kanzlerin Merkel befindet sich jetzt in einer dramatischen Lage. Militäroperationen die durch ausländische Staaten von deutschem Territorium ausgehen, verstossen nämlich gegen das Völkerrecht.
Bild: globalsecurity.org
(Foto: TSgt Effrain Lopez/dpa)
Über 60 Menschen sind im Jemen in den vergangenen Tagen durch Luft- und Drohnenangriffe getötet worden. Die Geheimakten zu solchen Angriffen behielt die USA bisher unter Verschluss. Nach einer Klage der „New York Times“ sollen die Dokumente nun offengelegt werden.
Die US-Regierung muss wichtige Unterlagen zu den umstrittenen Drohnenangriffen des US-Militärs offenlegen. Dies entschied ein Berufungsgericht in New York, das damit in weiten Teilen einer Klage der New York Times stattgab. Konkret ging es um Unterlagen zur Rechtfertigung von Drohnenangriffen gegen Terrorverdächtige und dabei auch gegen US-Bürger.
Die Zeitung und zwei ihrer Journalisten hatten unter Verweis auf die Pressefreiheit die Herausgabe der Unterlagen verlangt. Diese müssen laut der Gerichtsentscheidung nun in großen Teilen zugänglich gemacht werden. Die drei Richter begründeten ihre Entscheidung unter anderem damit, dass Inhalte der bisher geheimen Unterlagen schon mehrmals öffentlich zitiert worden seien. Außerdem hätten die Kläger „nicht die Legalität der Drohnenangriffe in Frage stellen wollen“, sondern lediglich Informationen darüber verlangt.
Nach Angaben der New York Times handelt es sich dabei um Stellungnahmen des Anwalts Eric H. Holder Jr. und des damaligen Anti-Terror-Beraters von US-Präsident Barack Obama, John O. Brennan. „Das ist so als würde man sagen: ‚Ich werde jetzt über etwas Geheimes sprechen, aber ich werde nicht die Dokumente offenlegen, die dem zugrunde liegen'“, sagte Steven Aftergood, ein Experte der Federation of American Scientists nach Angaben der New York Times. Die Entscheidung des Gerichts sei „eine klare Absage an die Geheimhaltungsstrategie der Regierung.“
Die USA setzen in Pakistan und weiteren Ländern immer wieder Kampfdrohnen ein, um mutmaßliche islamistische Extremisten zu bekämpfen. So auch bei einer Serie von Luftangriffen gegen mutmaßliche al-Qaida-Stellungen im Südjemen in den vergangenen Tagen, wo dutzende Extremisten getötet worden sein sollen. Am Samstag starben nach Angaben der jemenitischen Behörden 13 Menschen bei den Angriffen, am Sonntag waren es 55 mutmaßliche Mitglieder des al-Qaida-Netzwerks, teilte das Innenministerium in Sanaa mit. Die Streitkräfte des Landes hatten mit Unterstützung der USA einen Großeinsatz gegen Al-Qaida begonnen; beteiligt waren auch unbemannte Drohnen.
„Dieser beispiellose Einsatz erfolgte, nachdem Informationen eingingen, dass al-Qaida Anschläge gegen lebenswichtige Einrichtungen aus dem Militär- und Sicherheitsbereich plante sowie gegen ausländische Einrichtungen“, sagte ein ranghoher jemenitischer Verantwortlicher. Unter den Todesopfern befanden sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums „terroristische Elemente mit arabischen Nationalitäten sowie Ausländer“. Die Drohnenangriffe richteten sich unter anderem gegen ein Trainingscamp der Extremisten in der südlichen Provinz Abjan.
Ausschließlich die USA verfügen in der Region über Drohnen. Die Einsätze der unbemannten Flugzeuge sind höchst umstritten, weil dabei immer wieder unbeteiligte Zivilisten zu Tode kommen, was in der Region für Aufruhr sorgt. Im Dezember 2013 wurden bei einem Angriff auf zwei Hochzeitsgesellschaften, der eigentlich dem Fahrzeug eines al-Qaida-Anführers galt, 16 Zivilisten getötet.
Kurz darauf verbot das jemenitische Parlament den USA den Einsatz der Kampfdrohnen, Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen äußerten „ernsthafte Bedenken“. Der jemenitische Übergangspräsident Abd Rabbo Mansur Hadi verteidigte den Einsatz der Drohnen zuletzt aber als hilfreich im Kampf gegen al-Qaida. Auch die US-Regierung besteht aber darauf, dass die Drohneneinsätze legal seien und unter anderem das Terrornetzwerk al-Qaida massiv geschwächt hätten.
Die im Jemen ansässige Gruppe al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) gilt als der gefährlichste und aktivste Ableger des Netzwerks. Die islamistische Rebellengruppe kämpft seit Jahren gegen die Regierung in Sanaa und verübt immer wieder blutige Angriffe auf einheimische Sicherheitskräfte sowie Ziele im Ausland.
Google investiert weiter in die Rüstungstechnologie. Mit dem Drohnenhersteller Titan Aerospace will der Internet-Konzern sein Auflärungs-Knowhow stärken.
Der Internetkonzern Google kauft den Solardrohnen-Hersteller Titan Aerospace. Dies teilten beide Unternehmen am Montag mit. Mit dem Kauf will Google seine Pläne vorantreiben, drahtloses Internet auch in abgelegenste Teile der Welt zu bringen. Über den Kaufpreis für das US-Unternehmen, das 20 Mitarbeiter beschäftigt, wurde nichts bekannt. Titan entwickelt solarbetriebene Satelliten. Sie sollen 2015 erstmals kommerziell in Betrieb genommen werden. Die Drohnen fliegen in rund 20 Kilometern Höhe und können dort fünf Jahre bleiben. Ihre Spannweite ist mit 50 Metern etwas kürzer als die einer Boeing 777. Medienberichten zufolge war auch Facebook an Titan interessiert.
Google investiert bereits seit geraumer Zeit gezielt in die Rüstungsindustrie. So hat das Unternehmen erst kürzlich eine Firma gekauft, die Killer-Katzen herstellt (mehr dazu hier).
Quelle: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/15/google-kauft-drohnen-hersteller/
Anmerkung von mir: nachdem Google sich schon die „Freiheit“ herausnahm mit Street-View in die Privatsphäre der Menschen einzugreifen ist das nur noch eine logische Konsequenz … Rüstung – ein lohnendes Geschäft … mit dem Tod